Mackson hat geschrieben:Das könnt ihr überhaupt nicht pauschalisieren und hier so Wörter wie "herrschen" in den Raum stellen. Richtgeschwindigkeit heißt "kann" und nicht "muss" und so sieht das auch jeder Richter. Da spielen andere Faktoren eine Rolle: Wetter, Verkehrsdichte, Tageszeit. Diese Faktoren spielen immer eine Rolle bei der Bewertung einer Situation, dazu braucht es keine Richtgeschwindigkeit als haltlose Begründung.
Okay, ich hatte es versucht, Dir mit "einfachen" Worten zu umschreiben. Das Wort "Schuld" ist in diesem Zusammenhang nicht ganz korrekt. D.H. du bist als einer, der mit 200 km/h einem anderen, der einfach von der rechten Spur rüberzieht natürlich "unschuldig", im rechtlichen Sinne. "Teilzahlen" darfst Du zu 99% trotzdem, weil von Dir und Deinem Auto bei diesem Tempo eine erhöhte Betriebsgefahr ausgeht.
BGH, Urt. v. 17. März 1992 – VI ZR 62/91
Wird ein Kraftfahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat, in einen Unfall verwickelt, so kann er sich, wenn er auf Ersatz des Unfallschadens in Anspruch genommen wird, nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls i.S. von § 7 Abs. 2 StVG berufen, es sei denn, er weist nach, daß es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.
Der Begriff »unabwendbares Ereignis« im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 StVG meint, wofür allerdings bei isolierter Betrachtung der Wortsinn sprechen könnte, zwar nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern, wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 StVG ergibt, ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört jedoch ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S. von § 276 BGB hinaus (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1986 - VI ZR 136/85 - VersR 1987, 158, 159 m.w.N.). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muß sich wie ein »Idealfahrer« verhalten haben (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 1985 - VI ZR 258/83 - VersR 1985, 864 und vom 17. Februar 1987 - VI ZR 75/86 - VersR 1987, 1034, 1035, vgl. ferner BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - III ZR 205/83 - NJW 1985, 1950, 1951 m.w.N.). Denn die Haftung aus § 7 StVG ist nicht wie die Haftung aus § 823 BGB Haftung aus Verhaltensunrecht, sondern sie bezweckt den Ausgleich von Schäden aus den Gefahren auch eines zulässigen Kraftfahrzeugbetriebs. § 7 Abs. 2 StVG stellt deshalb nicht einem verkehrswidrigen Verhalten das im Straßenverkehr vom Kraftfahrer zu verlangende gegenüber, sondern sein Maßstab hat die Gefahren aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, für die die Gefährdungshaftung eintreten soll, auszugrenzen gegenüber fremden Gefahrenkreisen, für die, wenn sie sich im Schadensereignis aktualisieren, die Gefährdungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Die dazu von der Rechtsprechung benutzte Ausrichtung an dem Verhalten eines »Idealfahrers« umschreibt personifizierend dieses Abgrenzungsmerkmal.
Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verlangt damit eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung (vgl. Senat BGHZ 105, 65, 69). Diese Wertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 24. März 1964 - VI ZR 12/63 - VersR 1964, 777, 778). Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein »Idealfahrer« reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein »Idealfahrer« überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre; der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, daß sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) »ideal« verhält (vgl. Krumme/Steffen, StVG, 1977, § 7 Rdn. 25). Damit verlangt § 7 Abs. 2 StVG, daß der »Idealfahrer« in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Solche Erkenntnisse haben in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung vom 21. November 1987 (BGBl. I 1824) Ausdruck gefunden. Allerdings beschränkt sich diese Verordnung auf die Empfehlung, u.a. auf Autobahnen auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen nicht schneller als 130 km/h zu fahren. Sie ist damit anders als § 3 StVO keine Vorschrift für das im Straßenverkehr erforderliche Fahrverhalten, an deren Verletzung sich unmittelbare Sanktionen knüpfen. So hat die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bisher einhellig entschieden, daß die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit allein einen Schuldvorwurf noch nicht begründet (vgl. OLG Hamm, NZV 1992, 30; OLG Köln, VersR 1991, 1188, 1189; KG, VM 1985, 63, 64; OLG Karlsruhe, DAR 1988, 163; vgl. ferner OLG Saarbrücken, VM 1987, 54, 55). Das Fehlen unmittelbarer Sanktionen bedeutet indes nicht absolute rechtliche Irrelevanz auch für das Haftungsrecht. Vielmehr kommt in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung Erfahrungswissen zum Ausdruck, das bei der Auslegung des Begriffs des unabwendbaren Ereignisses mit zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 103, 338, 341 f. zum Empfehlungscharakter von DIN-Normen) (wird ausgeführt). Die Empfehlung des Verordnungsgebers stellt sich trotz ihrer fehlenden rechtlichen Verpflichtungswirkung als »Vernunftaufruf« und Appell an die Verantwortung des Verkehrsteilnehmers dar (vgl. Jagusch, NJW 1974, 881, 882 f.; Begründung des Bundesrates zur Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung vom 13. März 1974, VkBl 1974, 225), den ein Kraftfahrer, der den erhöhten Anforderungen an einen »Idealfahrer« genügen will, nicht unbeachtet lassen darf. Die Empfehlung strebt zur Herabsetzung der Betriebsgefahren des Kraftfahrzeugs auf Autobahnen die Bildung eines allgemeinen Verkehrsbewußtseins an, dem der Kraftfahrer auch ohne Bestehen einer Höchstgeschwindigkeitsregelung Rechnung tragen soll. Nur wer die Richtgeschwindigkeit einhält, verhält sich als »Idealfahrer«, wie ihn § 7 Abs. 2 StVG meint. Im Rahmen der Halterhaftung des § 7 StVG kann sich nur ein solcher Idealfahrer, wenn er durch das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt wird, auf den Vertrauensgrundsatz berufen; wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, daß sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt.
Wird ein Kraftfahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat, in einen Unfall verwickelt, so kann er sich, wenn er auf Ersatz des Unfallschadens in Anspruch genommen wird, nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls iSv § 7 II StVG berufen, es sei denn, er weist nach, daß es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.
[a: die entspr Empfehlung in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-VO v. 21.11.1987 - BGBl I 1824 - beruht auf der Erkenntnis, daß die Einhaltung solcher ermäßigten Geschwindigkeit auf Autobahnen auch bei günstigen Orts- und Verkehrsbedingungen nachhaltig zur Vermeidung von Unfällen, vor allem von solchen mit schweren Folgen, beiträgt. Wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, daß sich ein andrer Verlejrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt.
b: allerdings begründet die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit allein noch nicht einen SCHULDVORWURF (OLG Hamm NZV 92,20; OLG Köln VersR 91,1188 u.a.m.).
c: der Urkundenbeweis - hier durch Beiziehung eines in einem anderen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachtens - darf nicht zur Verkürzung des Fragerechts der Parteien (§§ 397, 402 ZPO) führen. Deshalb muß der Richter eine zusätzliche schriftliche oder mündliche Begutachtung anfordern, wenn eine Partei zu erkennen gibt, daß sie vom Sachverständigen die Beantwortung bestimmter Fragen zum Beweisthema erwartet (BGH VersR 82,793). So liegt es, wenn - wie hier - die Partei im einzelnen die Punkte bezeichnet, in denen das Gutachten nach ihrer Meinung Mängel aufweist. Sie bringt nämlich dadurch zum Ausdruck, daß sie an ihrem Antrag, ein Sachverständigengutachten einzuholen, festhält]
§ 3 StVO Geschwindigkeit
(1) Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, so darf er nicht schneller als 50 km/h fahren, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Er darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss er jedoch so langsam fahren, dass er mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke halten kann.
(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.
(2a) Die Fahrzeugführer müssen sich gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen
1. innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge
---------- 50 km/h,
2. außerhalb geschlossener Ortschaften
1. für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen, für Personenkraftwagen mit Anhänger und Lastkraftwagen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t mit Anhänger und für Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger
---------- 80 km/h,
2. für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t, für alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen sowie Lastkraftwagen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t und für Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen
---------- 60 km/h,
3. für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 t
---------- 100 km/h.
Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.
(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.
Den Beweis, den Du antreten musst, einem Richter zu überzeugen, ein Unfall mit Tempo 200 km/h sei genauso wenig "schlimm", wie ein Unfall mit Tempo 130, den möchte ich gerne sehen. Viel Spass.
P.S. Nochmals! Auch ich kann Rechtsfahrer, die mich als Fahrer auf der Überholspur nötigen in die "Eisen" zugehen, weil sie meinen, keine weiteren 20s auf der rechten Fahrbahn verbleiben zu können, nicht leiden. Rein rechtlich wird Dir aber ein Teil der Kosten bei einem Unfall aufgebrummt. An gesundheitliche Schäden mag ich da garnicht denken, die kann man nämlich so schlecht teilen...