Abkassierte Autofahrer –
Werkstätten zocken ab
Der Auspuff am Auto von Karl-Heinz Schulz ist kaputt. Schulz entdeckt den Schaden, fährt zu Pit-Stop. Dort erfährt er, nicht nur der Auspuff sei hinüber, sondern noch viel mehr:
"Die Pit-Stop-Mitarbeiter haben mir mitgeteilt, dass die Bremsbeläge und die Bremsscheiben so runter waren, dass ich damit im Prinzip nicht mehr weiterfahren dürfe", berichtet Schulz. "Und da die Bremsbeläge gerade im Angebot waren, habe ich dem letztendlich zugestimmt."
Zuschauerbrief an Frontal21
Bei Pit-Stop geht es zur Sache. Dem Kunden erklärt man, "dass die Bremsscheibe so allein nicht runter geht", so Schulz. "Daraufhin wurde die Bremsscheibe mit einem Hammer dermaßen bearbeitet, dass sie nicht mehr wiederherstellbar war und dadurch die Radnabe und das Radlager getauscht werden mussten."
Und dafür soll Schulz auch noch zahlen: 600 Euro. Dann sieht er den Frontal21-Bericht über zweifelhafte Werkstatt-Praktiken. Er fasst Mut, beschwert sich schriftlich bei der Pit-Stop-Zentrale. Er weist darauf hin, dass er eine Kopie seines Briefes an Frontal21 schickt.
Umsatzvorgaben für Mitarbeiter
Schulz ist nicht der einzige. Viele verärgerte Pit-Stop-Kunden melden sich bei uns - auch Insider, wie ein ehemaliger Pit-Stop-Meister, der nicht erkannt werden möchte. Er sieht eine der Ursachen für das Geschäftsgebaren von Pit-Stop in den Umsatzvorgaben: "Am Monatsende muss eben eine Liste abgegeben werden, da steht dann drin, mit wie viel Prozent man jeden Artikel erfüllt hat - Auspuff, Bremsen, Fahrwerk, Öle, Schmierstoffe, Reifen."
Diesem Grundsatz vertrauen die Kunden.
Frontal21 hatte für den ersten Beitrag in der Pit-Stop-Zentrale nach derartigen Vorgaben gefragt: "Es gibt keine Umsatzvorgaben", so Birgit Holm damals.
"Androhung von Kündigung"
"Das ist eine Lüge, weil ich Vorgaben zwischen 30.000 und 50.000 Euro gehabt habe, die im Monat kommen mussten", sagt dagegen unser Informant. "Wenn nicht, gab es Ärger wegen Nichterfüllung."
"Mit welcher Konsequenz?", fragen wir den ehemaligen Pit-Stop-Meister. "Drohung von Kündigung, teilweise Aussprache von Kündigung, und Druck, täglichen Druck", erzählt er uns.
Was sagt Pit-Stop dazu?
In seinem Pit-Stop-Arbeitsvertrag heißt es: "Das Aufgabengebiet umfasst im Wesentlichen: ... Realisierung der Absatz-, Umsatz- und Kostenziele." Wir fragen erneut in der Pit-Stop-Zentrale nach. Unternehmenssprecher Andreas Laube weiß noch nicht, dass wir den Arbeitsvertrag kennen.
"Es gibt keine arbeitsvertragliche Regelung zur Erreichung eines bestimmten Mindestumsatzes", erklärt er. Frontal21: "Aber in Paragraph 1 ihrer Arbeitsverträge steht deutlich drin, dass Umsatzvorgaben und -ziele zu erreichen sind."
Umsatz, um jeden Preis
"Ja", meint nun Laube. "Das widerspricht dem, was sie gerade gesagt haben", merken wir an. Laube: "Sie zitieren jetzt hier Paragraphen aus einem internen Arbeitsvertrag." Richtig, und darin steht auch, dass Pit-Stop-Mitarbeiter neben einem Grundgehalt Provisionen bekommen: (Zitat) "Darüber hinaus nimmt der Mitarbeiter an der jeweils gültigen, separat aufgestellten Bonusregelung teil."
Einen Bonus gibt es allerdings nur, wenn die Umsatzvorgaben erreicht werden, erklärt der Ex-Mitarbeiter. Er berichtet auch, wie das gemacht wird - Beispiele: "... Bremsflüssigkeitswechsel, der nicht erforderlich ist, oder beim Ölwechsel wird ein Liter mehr aufgeschrieben, teilweise 1,5 Liter. Und wenn man eben manche Teile ausbaut und das nächste Teil dabei kaputt geht, ist es eben auch nicht schlimm. Das ist Mehrverkauf."
"... mit Absicht zerstört"
Wir haken nach: "Das heißt, es werden Dinge mit Absicht zerstört, damit man Geld macht?" "Ja, man könnte es vorsichtiger machen. Aber warum? Es bringt doch Geld und Umsatz und am Monatsende was in der Lohntüte", so unser Informant.
Sehr viel teurer als gedacht, wurde es auch für Sebastian Schrumpf. Ein Autoreifen war undicht. Pit-Stop-Mitarbeiter stellten aber noch ganz andere Mängel fest.
"Da haben sie mir dann gesagt, dass die Bremsscheiben Risse hätten, und dass die platzen könnten", erzählt Schrumpf. "Und da hab ich dann eingewilligt, dass die auch erneuert werden. Die gingen dann erst nicht runter. So haben sie als erstes mit einem Gummihammer darauf eingeschlagen, hinterher dann mit einem Vorschlaghammer und letztendlich haben sie dann mit einer Flex die Bremsscheibe angeflext, bis die runter war."
Steckt System dahinter?
Eine Radnabe ist beschädigt, der Querlenker kaputt. Dazu Laube: "Wir behandeln Bremsanlagen nicht grundsätzlich mit falschen Arbeitsmethoden. Sollten einzelne Fehler passieren, dann werden wir auch diese Reklamationen im Sinne des Kunden erledigen."
Auch Schrumpf hat bei Pit-Stop reklamiert. Seine Erfahrung: "Dort wurde dann zwar die Radnabe ersetzt, aber die Querlenker, das wäre normaler Verschleiß, wofür wir die Kosten dann auch selber tragen müssten." Und diese Kosten betragen rund 200 Euro. Umsatz mit allen Mitteln, ein System bei Pit-Stop?
Interne Schulungen
Wir fragen in der Zentrale nach: "Gibt es interne Schulungen, die in Richtung Zusatzverkauf gehen?" Laube: "Wir schulen unsere Mitarbeiter in technischen Belangen, also in der Ausführung der Arbeit. Wir schulen Mitarbeiter in allen unseren Produktbereichen, aber wir schulen sie bestimmt nicht, Zusatzverkäufe zu tätigen."
Frontal21-Reporter Andreas Baum in der Zentrale der Werkstatt-Kette Pit-Stop.
Frontal21 liegen Pit-Stop-Schulungsunterlagen vor. Eine Trainingseinheit heißt: "Tipps und Tricks für mehr Umsatz". Wir fragen den Unternehmenssprecher, was damit gemeint ist. Auf einmal erinnert sich Laube an eine solche Schulung: "Ja, die zielt im wesentlichen darauf, sich Fahrzeuge genau anzusehen und den vorhandenen Reparaturbedarf zu erkennen."
"Zusatzgeschäfte"
Frontal21: "Sie haben aber gesagt, es wird nicht konkret auf die Erzielung von mehr Umsatz geschult." Laube: "Es wird darauf geschult, Fahrzeuge anständig zu untersuchen, um sie auch nachfolgend wieder sicher in den Straßenverkehr entlassen zu können."
Dieser interne "Leitfaden für Mitarbeiter" gibt unter anderem dafür Anweisungen: (Zitat) "Versuchen Sie in allen Fällen, eine Diagnose auf der Hebebühne durchzuführen!" Und weiter heißt es unter der Überschrift "Zusatzgeschäfte": "Bei der Inspektion auf der Hebebühne stellen Sie weitere sichtbare Mängel fest."
Rätselhafte Anweisungen
Frontal21: "Klingt wie eine Aufforderung, was zu finden, was gar nicht da ist." Laube: "Die ist aber definitiv nicht da, diese Aufforderung." Wir haken noch einmal nach: "Warum haben sie dann nicht geschrieben: ... wenn sie bei der Inspektion auf der Bühne feststellen sollten, dass weitere Mängel vorhanden sind'."
"Dann haben wir es möglicherweise schlecht formuliert", meint der Pit-Stop-Sprecher. Was Pit-Stop-Formulierungen bedeuten, darüber rätselt auch immer noch Karl-Heinz Schulz. Sie erinnern sich? Der Mann mit der Auspuff-Reparatur, der Frontal21 informierte.
"Vorbehaltlich eines positiven Berichts"
Als er seinen Wagen abholen will, macht ihm der Bezirksleiter ein Angebot, so Schulz: "Und zwar sollte ich nur noch die Teile bezahlen. Das belief sich dann auf circa 600 Euro, aber Vorraussetzung war eine positive Berichterstattung meinerseits an Frontal21." Die Rechnung wird um 830 Euro gemindert, unter einer Bedingung: Der Bezirksleiter vermerkt handschriftlich: "Vorbehaltlich eines positiven Berichts beträgt die Endsumme 600 Euro ..."
Mit einem schriftlichen Vermerk auf der Rechnung sicherte sich die Werkstatt ab.
Pit-Stop äußert sich dazu schriftlich. Der Vermerk bedeute nur: " ... die getroffene Einigung auch gegenüber der Reklamations-Bearbeitung in unserer Zentrale als zufriedenstellend darzustellen ..." Auch? Wem gegenüber denn sonst noch? Pit-Stop würde sich natürlich nie einen positiven Bericht erkaufen wollen.