Raucherauto? und Rauchen am Arbeitsplatz
Verfasst: 28. Mai 2003 08:55
Anbei noch ein kleiner Text zum Rauchen am Arbeitsplatz
Beim Streit um den Qualm im Büro setzen Gewerbeaufsichtsämter auf Überzeugungsarbeit / Bußgelder sind nicht vorgesehen
Von Rolf Winkel
Am 31. Mai ist Welt-Nichtrauchertag. Dieses Jahr haben Raucher einen besonderen Grund, um das Qualmen aufzugeben: Die Tabaksteuer soll drastisch erhöht, die Zigarettenschachtel deutlich teurer werden. Wen die hohen Preise nicht vom Rauchen abhalten, der muss künftig zumindest am Arbeitsplatz mit Einschränkungen anderer Art rechnen. So wurde die westfälische Stadt Bocholt im vergangenen Jahr für ihren strikten Nichtraucherschutz bekannt: Das dortige Siemens-Werk wurde in der Kategorie „Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten“ zum Preisträger des Wettbewerbs „Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz“ erkoren. 2500 Beschäftigte hat das Werk, das mobile Telefone produziert. Rauchen am Arbeitsplatz, in Treppenhäusern, Fluren oder Toiletten ist nicht mehr erlaubt. Noch nicht einmal der Erwerb von Zigaretten ist möglich. „Auf dem Betriebsgelände installierte Zigarettenautomaten werden ... entfernt, neue Automaten werden nicht aufgestellt“, legt die bereits am 15. November 1994 zwischen dem Betriebsrat und der Betriebsleitung abgeschlossene Betriebsvereinbarung fest, die das Rauchen in abgeschlossene Raucherzonen verbannt.
Das Siemens-Werk in Bocholt könnte überall sein: Verqualmte Arbeitsplätze müssen Nichtraucher heute nämlich nirgendwo mehr dulden. Dafür sorgt der neu eingefügte Paragraf 3a der Arbeitsstättenverordnung: „Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind“, heißt es darin. Wie der Nichtraucherschutz konkret zu gewährleisten ist, bleibt allerdings den Betrieben überlassen.
Eine raucherfreundliche, doch für den Betrieb nicht ganz billige Lösung ist der Einbau einer gut funktionierenden Lüftungsanlage, die den Rauch direkt dort absaugt, wo er produziert wird. „Das kennt man von guten Restaurants. Wenn am Nachbartisch geraucht wird, wird der Qualm direkt abgesogen“, erläutert Dagmar Windhövel, Dezernentin im Staatlichen Amt für Arbeitsschutz in Köln. Sie hat von Amts wegen mit Nichtraucherschutz zu tun. Eine weniger wirksame Möglichkeit zum Schutz vor Zigarettenqualm ist die Einrichtung getrennter Bereiche für Raucher und Nichtraucher, zum Beispiel in Kantinen. Zudem kann man Raucher und Nichtraucher in getrennte Büros setzen. Das dürfte allerdings nicht gerade die Kommunikation im Betrieb fördern. Oder man schafft eigene Pausenräume für Raucher.
Verbot möglich
Rauchen im Betrieb kann auch gänzlich verboten werden. Das entschied – lange vor der Verschärfung der Arbeitsstättenverordnung – das Bundesarbeitsgericht. Die obersten Arbeitsrichter erklärten in ihrem Grundsatzurteil vom 19. Januar 1999 Betriebsvereinbarungen gegen Tabakkonsum generell für statthaft und betrachteten es als zumutbar, Mitarbeiter zum Rauchen vor die Tür zu schicken (Az.1AZR499/98). Geklagt hatte damals der Mitarbeiter einer Hamburger Firma, die das Rauchen nur in einem Unterstand auf dem Außengelände zuließ. Wie in einem „Raucherkäfig“ und „am Pranger“ komme er sich dort vor, hatte der Chemielaborant argumentiert. Dieser Einschätzung schlossen sich die Kasseler Richter nicht an. Einen Anspruch auf einen geschlossenen Raucherraum, wie von dem Kläger gefordert, gebe es nicht.
Wer als Arbeitnehmer auf einem rauchfreien Arbeitsplatz besteht, hat gute Argumente und – im Zweifelsfall – das Recht auf seiner Seite. Wem das im Betrieb nicht reicht, weil er sich am Arbeitsplatz renitenten Rauchern gegenüber sieht, kann auch die zuständigen Ämter für Arbeitsschutz einschalten. In Bayern heißen diese noch Gewerbeaufsichtsämter, die Adressen findet man im Internet unter http://by.osha.de. Die Behörden sind nicht nur für den Schutz vor Asbestfasern oder die Sicherheit auf Baustellen zuständig, sondern auch für den Nichtraucherschutz. Die Mitarbeiter der Ämter beraten am Telefon oder kommen gegebenenfalls in den Betrieb. Bereits 1998 wurde Rauchen am Arbeitsplatz von
der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) der höchsten Gefahrenstufe krebserzeugender Arbeitsstoffe zugeordnet. Ein weiteres Argument der Ämter: Nach Schätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg sterben in Deutschland jährlich 400 Menschen an Lungenkrebs durch unfreiwilliges Einatmen von Tabakrauch.
Auf Wunsch werden die Beschwerden der Nichtraucher anonym behandelt. Die Ämter setzen auf Überzeugungsarbeit – Strafen sind zunächst nicht vorgesehen. „Das ist bei der Arbeitsstättenverordnung leider so, sie kennt keine Bußgeldparagrafen. Wir könnten dem Arbeitgeber eine Ordnungsverfügung erteilen, also anordnen, was er zu tun hat“, erklärt Derzenentin Windhövel. Zu solch einer Anordnung sei es in Köln bislang nicht gekommen. In den Ämtern setzt man auf einvernehmliche Regelungen.
Apfelpause
Das Siemens-Werk in Bocholt wurde im Wettbewerb „Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz“ nicht allein wegen der beispielhaften Betriebsvereinbarung, sondern für das Projekt „Apfelpause“ ausgezeichnet. „Jeder weiß, dass wir regelmäßig Pausen brauchen, um eben gesund und leistungsfähig zu bleiben“, erklärt Maria Zimmermann, die in der Firma für Gesundheitsprävention zuständig ist. Raucher ziehen sich regelmäßig für eine Zigarettenlänge von ihrer Arbeit zurück. Um den Nichtrauchern ebenfalls eine Erholungspause zu gönnen, erfanden die Bocholter die Apfelpause. In abgetrennten, gemütlichen Ecken der Großraumbüros kann man nun – auf Kosten der Firma – Äpfel essen und pausieren. Die Apfelecken sind inzwischen neben den Raucherzimmern zu wichtigen internen Kommunikationszentren im Unternehmen geworden.